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Tagung im Museum: Gegenwart sammeln und ausstellen.

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Am 3. April 2017 fand im Städtischen Museum Kitzingen eine ganztägigen Fortbildungs-Veranstaltung/Tagung in Kooperation mit der Bayerischen Museumsakademie München und dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege München, sowie der Professur für Museologie Würzburg statt. Das Thema lautete: Gegenwart sammeln und ausstellen. Ziel der Tagung war es, innerhalb von Fachvorträgen und drei World-Café-Stationen zu erarbeiten, inwieweit die Gegenwart in den kulturhistorischen Museen Bayerns thematisch Berücksichtigung findet, bzw. finden sollte. Ausgangspunkt war die aktuelle Beobachtung, dass Ausstellungen, Veranstaltungen und Sonderpräsentationen zur deutschen Geschichte in vielen kulturhistorischen Museen Bayerns inhaltlich spätestens mit dem Jahr 1945 enden. Es fehlt zu großen Teilen die Aufarbeitung der Geschichte der Bundesrepublik, und vor allem ihrer Errungenschaften. In diesem Zusammenhang bot es sich an, auch den modernen Heimatbegriff in den Fokus zu nehmen. So war es eine zentrale Erkenntnis der Tagung, dass Heimatmuseen, die sich den Herausforderungen, sowie kulturellen und künstlerischen Phänomenen der Gegenwartskultur öffnen, eine besonders geeignete, von politischen und konfessionellen Schwellen freie, Kommunikationsplattform bieten, um einen Beitrag zur Entmythologisierung des Heimatbegriffes zu leisten.

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Das Museum Kitzingen gilt in Fachkreisen als Vorreiter für diese moderne, gegenwartsbezogene Position, wie sich bereits auf der Frühjahrstagung der Museumsakademie 2016 in München gezeigt hatte. Daher war es 2017 als Tagungsort für die aktuelle Fortbildungsveranstaltung zur Gegenwarts-kultur ausgewählt worden. Die Teilnahme an dieser Tagung war auf 45 Personen beschränkt. Eine Anmeldung war ausschließlich über den Link der Bayerischen Museumsakademie möglich. Die Veranstaltung war schnell ausgebucht. An der Veranstaltung nahmen 15 Vertreter aus drei Bayerischen Universitäten (JMU Würzburg, LMU München, FAU Erlangen-Nürnberg) und 14 Vertreter aus 10 Bayerischen Museen, sowie Vertreter des Museumspädagogischen Zentrums München, der Bezirksheimatpflege Mittelfranken, des Landesvereins für Heimatpflege München, sowie Lehrbeauftragte aus dem Armin-Knab-Gymnasium Kitzingen und dem Deutschhaus-Gymnasium Würzburg, teil. Das Imagebild für diese Tagung war eine Schülerarbeit. die in Kooperation mit dem Armin-Knab-Gymnasium zum Thema “Reisefreiheit” im Rahmen der Ausstellung “Künstlerische Antworten mit Beigeschmack zu grundsätzlichen Fragen des Menschseins” im Städtischen Museum Kitzingen, 2015, entstanden war. Die Teilnahme an dieser Fortbildungs-Veranstaltung wurde von der Bayerischen Museumsakademie zertifiziert. Die Begrüßung erfolgte durch den Kitzinger Bürgermeister Klaus Heisel. Er dankte den Organisatoren, dass sie sich für das Städtische Museum Kitzingen als Tagungsort entschieden haben. Weiterhin führte er kurz durch die traditionsreiche Geschichte des Museums seit 1895 und stellte auch die Glanzlichter des Hauses und der Sammlungen vor. Er unterstrich, dass das Stadtmuseum Kitzingen aus der Kitzinger Kulturszene nicht wegzudenken sei, und vom Stadtrat seit jeher wohlwollend unterstützt würde. Herr Dr. Joseph Kirmeier, Leiter des Museumspädagogischen Zentrums München, betonte in seiner Begrüßungsrede, die Notwendigkeit gegenwartsbezogenen Forschens und Vermittelns in Bayerischen Museen. Er unterstrich hierbei die Notwendigkeit einer neuen Beleuchtung und Entmythologisierung des Heimatbegriffes und begrüßte in diesem Zusammenhang unter den Gästen besonders den Vertreter des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, Herrn Dr. Wolfgang Pledl. Im Anschluss an den Begrüßungspart, referierte Prof. Dr. Guido Fackler, Professur für Museologie an der JMU Würzburg, über die neuen Herausforderungen für Heimat- und Stadtmuseen. Nach einem kurzen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der Heimat- und Stadtmuseen Bayerns – wobei er auch das Museum Kitzingen neben den Museen Aschaffenburg und Schweinfurt als eines der drei ältesten Museen Frankens erwähnte – zeigte er Beispiele, mit welchen in Bayerischen Museen erstmals Frage- und Problemstellungen der Gegenwart in zeitgemäßen und modernen, teils überraschend provokanten, teils pfiffigen Lösungen angenommen wurden.

Vielfalt und Erfindungsreichtum war anschließend auch in den drei World-Café-Stationen gefragt.

Unter dem Titel „Heimat ausstellen“ konnten sich die TeilnehmerInnen in Station 2, die sich im Museumsfoyer befand, unter Leitung von Herrn Dr. Pledl, über Möglichkeiten und neue Ansätze zur Bewahrung traditioneller Bayerischer Kultur in ihrer gesamten Vielfalt austauschen. Hierbei stellte sich durchaus auch die Frage ob nicht die „Pril-Blume“ mittlerweile Kulturgut sei, oder ob es auch nur ein Bayerisches Museum gäbe, dass Tüten der Handelskette „Schlecker“ aufbewahrt hätte, – da diese heute nicht mehr auf dem Markt wären. Massenkultur wird in den Museen nicht gesammelt. Was aber passiert, wenn deren Manifestationen von heute auf Morgen vom Markt verschwinden? Bleibt dadurch ein blinder Fleck im materiellen Gedächtnis unserer Gesellschaft? Als Station 3 wurde in der permanenten Ausstellung des Stadtmuseums eine Diskussionsrunde zum Thema Partizipation in Museen unter Leitung von Anna-Sophie Karl M.A. und Anna-Sophie KarlB.A., Absolventinnen der Museologie an der JMU Würzburg angeboten. Hierbei wurde der Fokus vor allem auf Methoden der schwellenfreien Vermittlung und Gesprächsführung gelegt. Die beiden Moderatorinnen unterstrichen in ihren Kurzbeiträgen mehrfach die Notwendigkeit der Kommuni-kation auf Augenhöhe zwischen Museumsfachleuten und sogenannten Key-Workern. An dieser Diskussionsrunde beteiligten sich auch drei hochmotivierte „Ehrenamtliche“ des Kitzinger Stadt-museums, die über ihre persönlichen Erfahrungen bei der Mitwirkung an diversen Ausstellungs- und Publikationsprojekten seit insgesamt 10 Jahren berichteten. Auch der ehrenamtlich mit der Ausstellungstechnik und Szenographie befasste Key-worker des Kitzinger Stadtmuseums berichtete über seine besondere persönlich Motivation, die ihn immer wieder zur Kooperation mit dem Museum bewege. Wechselnde, immer wieder neue Einblicke in die Stadtgeschichte und Gesellschaftskultur, sowie vielfältige Erfahrungen in der Kooperation mit diversen Fachleuten, sei es aus der Universität oder aus anderen Museen, oder direkt mit passionierten Sammlern und Heimatforschern nannten alle drei Beteiligten als die Triebfeder für ihre konstante Partizipation und projektorientierte Mitarbeit im Kitzinger Stadtmuseum.

 

In der historischen Apotheke des Kitzinger Stadtmuseums im ersten OG wurde World-Café-Station 1 eingerichtet. Dr. Josef Kirmeier stellte in den dort stattfindenden Diskussionsrunden die Frage nach neuen Sammlungsschwerpunkten. Die Teilnehmer – zu großem Teil Museumsfachleute – stellten sich die Frage, nach welchen Kriterien Objekte der Massenkultur gesammelt werden könnten. So kristallisierte sich heraus, dass für seriell hergestellte Produkte andere Gesichtspunkte für eine Objektannahme gefunden werden müssen, als für bisher gesammeltes Museumsgut. Das sich primär durch Einmaligkeit und Originalität auszeichnete. Neue Kriterien könnten sich durchaus in individuellen Modifikationen der Objekte, in Gebrauchsspuren, Umnutzungen, oder aus Kontextveränderungen in entsprechenden Installationen ergeben. Auch das Sammeln immateriellen Materials in Form von Bild, Ton und Videoaufzeichnungen als neues Sammlungsgut wurde ins Visier genommen. Hier gelten zusätzliche Kriterien der Nutzungsrechte, ethische Überlegungen zum Datenschutz von Interviewpartnern und deren Angehöriger, sowie Speichermöglichkeiten und Zugriffsrechte als limitierende Faktoren. In der Mittagspause wurde den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, sich an einem vegan-vegetarischen Buffet zu stärken. Es war vom Ehrenamtlichen-Team des Museums unter Leitung von Stefan Schneidmadel, zubereitet und arrangiert worden und fand bei den Teilnehmern regen Zuspruch.

 

Im Anschluss an die Mittagspause gab die Leiterin des Kitzinger Stadtmuseums, Stephanie Falkenstein M.A., einen Überblick über die gegenwartsbezogenen Projekte des Kitzinger Stadtmuseums in den letzten zwei Jahren. Angestoßen von den globalen Herausforderungen des Jahres 2015 hatte sich in ihrem Haus spontan eine eigene Ausstellungsreihe entwickelt . Es war, so Falkenstein, für das Museumsteam aber auch für die kooperierenden Kunsterzieher interessant geworden, über Möglichkeiten einer neuen, zukunftsfähigen, schulbegleitenden Lernkultur nachzudenken. Man stellte sich Fragen: Welche Art der Bildung brauchen wir, um demokratiefähig zu werden? Können wir von Seiten des Museums Impulse setzen? Was bewegt und begeistert Menschen? Was lässt sie ihre Potentiale entfalten? Wie gelangen sie zu kreativen Lösungen? Aber so Falkenstein, stand auch die Frage im Raum, inwieweit ein Stadtmuseum den Auftrag hat, sich diese Fragen zu stellen, inwieweit der Auftrag besteht, Gegenwart zu sammeln, auszustellen und damit auch politische Bildung zu vermitteln? Sie wies im Rahmen ihres Beitrages auf Gefahren des gegenwartsbezogenen Ausstellens hin, vor allem darauf, dass Museen als Spielball der Politik instrumentalisiert werden können. Im Anschluss daran, berichtete die Museologiestudentin Ricarda A. v. Truchseß von ihrem aktuellen Kooperationsprojekt mit dem Stadtmuseum Kitzingen. Es handelt sich hierbei um einen Jahres-Workshop mit dem Titel Hello America, Good bye Kitzingen und befasst sich mit Zeitzeugenbeiträgen aus jener Zeit, als Kitzingen Amerikanische Garnisonsstadt war.

 

Im Anschluss daran referierte Frau Ursula Teutrine, die Leiterin des Stadtmuseums Fellbach, über gegenwartsgeschichtliche Ausstellungen in Ihrem Haus. In anschaulichen Bildern zeigte sie eine ganze Reihe origineller und pfiffiger Ausstellungsbeispiele. Deutlich wurde vor allem eines, dass der betont partizipative Ansatz ihres Museums begeisterte Besucher quer durch alle Generationen anspricht, die sich als zentrale Einrichtung um das Museumscafé gruppieren. Aber auch, dass ganzheitliche, den Alltag der Besucher berührende Themen wie „Die Kartoffel“ zu Begeisterungsstürmen und regem Andrang aus den Schulen führen. Ihre Erfahrungen mit Ausstellungen zu gegenwartsbezogenen Themen waren äußerst positiv, wie sich auch in der anschließenden regen Diskussion zeigte. Die Bekanntgabe der Ergebnisse aus den Workshop-Sitzungen sowie die Verteilung der Zertifikate für die Teilnehmer bildeten den Abschluss dieser gelungenen Tagung im Stadtmuseum Kitzingen.
Foto und Text: Museum Kitzingen


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